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Beiträge von der APPLICA 2003, 5.-7. Mai 2003:

Spurensicherung in der Gerichtschemie:
Planen - Isolieren - Nachweisen

Logo Uni Bern Dr. Werner Bernhard, Dr. Beat Aebi, Priska Regenscheit, Martina Gasser
Institut für Rechtsmedizin, Chemische Abteilung, Universität Bern, Bühlstrasse 20, 3012 Bern

Inhaltsverzeichnis


Forensische Toxikologie

In der Abteilung forensische Chemie und -Toxikologie des IRM Bern werden "Spuren gesichert" und chemisch analysiert, dh. es werden der Nachweis und die quantitative Bestimmung von Giften, Alkohol, Drogen und Medikamenten in biologischen Proben von verstorbenen und von lebenden Personen durchgeführt.

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Was ist ein Gift?

Paracelsus
 
"Alle Dinge sind Gift und nichts ohn Gift, allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist" (Paracelsus)


 

Das Bundesamt für Gesundheit teilt die Gifte aufgrund ihrer Gesamtgefährlichkeit in 5 Giftklassen ein, wobei die Klasse 1 dem höchsten, die Klasse 5 dem niedrigsten Gefährlichkeitsgrad entspricht. Die akuten oralen Letaldosen (in der Regel an der Ratte ermittelt) werden gemäss nachfolgender Skala für die Giftklassierung verwendet:

Bis 5 mg / kg (Ratte)
5 bis 50mg / kg
50 bis 500mg / kg
500 - 2000mg / kg
2000 - 5000 mg / kg
Giftklasse 1
Giftklasse 2
Giftklasse 3
Giftklasse 4
Giftklasse 5

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Probennahme

Am Anfang einer Untersuchung steht häufig ein aussergewöhnlicher Todesfall. Die Analysenaufträge werden durch die Untersuchungsrichter in Zusammenarbeit mit der Polizei erteilt. Die analytische Fragestellung richtet sich nach dem Beweisgrund, d.h. Bestimmung der Todesursache oder der Todesart.

Obduktion / Fallübergabe:

Probe

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Planung

Die Analysen können wegen der beschränkten Probenmengen nicht beliebig oft wiederholt werden. Deshalb ist eine sorgfältige Planung notwendig.

Die 3 Giftwege

1. Aufnahme

Spritzen, Sniffen, Rauchen, Oral, Rektal, Transdermal


Beispiel: Tod im Silo

Im Lungengas Ethanol positiv, im Blut Ethanol negativ


2. Verteilung / Wirkung / Stoffwechsel

Anflutung, Verteilung in den Geweben, Stoffwechsel


Beispiel: Drogentod durch Heroin

Stoffwechsel:

Heroin (Diacetylmorphin)

Pfeil hinunter

Monoacetylmorphin

Pfeil hinunter

Morphin

Pfeil hinunter

Morphin-Glucuronide

Analysenresultate:

im Urin Opiate positiv, im Blut freies Morphin positiv
im Hirn: CMO im Kleinhirn > CMO im Stammhirn
Überlebenszeit ca. 10 - 60 Min.


3. Ausscheidung

Urin, Stuhl, (Einlagerung in Haare)


Beispiel: Suizid mit Morphin

Im Urin Opiate negativ (EMIT), im Blut freies Morphin stark positiv


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Analytik

Das Vorgehen entspricht folgendem Schema:
 
1. Extraktion
2. Screening
3. Bestätigung / quantitative Analyse

Die Gifte, Medikamente, Drogen und Stoffwechselprodukte werden aus dem Probenmaterial isoliert. Dies geschieht mittels Verdampfen (Headspace - GC; SPME), flüssig-flüssig Extraktion oder Festphasenextraktion, unter Berücksichtigung der physikalisch - chemischen Eigenschaften der Analyten.

Die chromatographische Auftrennung erfolgt ebenfalls gemäss den physikalisch - chemischen Eigenschaften. Zur Miterfassung mittelflüchtiger polarer Verbindungen (Stoffwechselprodukte, resp. Metaboliten) ist oft eine Derivatisierung notwendig.

Der Nachweis der Substanzen erfolgt mit hochempfindlichen und selektiven Methoden.

Screening
 
Beispiel: Screening mit GC-MS / Nachweis mit GC-NPD

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Beispiel 1:
 
Analyse von THC (Cannabis, Haschisch oder Marihuana) in Vollblut mittels Gaschromatographie - Massenspektrometrie (GC-MS)


 

Cannabis Metabolismus
 
Metabolismus von THC


 

Ablauf der Analyse:

  • 1. Festphasenextraktion mit Bond - Elut Certify
     
  • 2. Derivatisierung mit Methyliodid
     
  • 3. Analyse mittels GC-MS (SIM)
     

Cannabis-Analyse
 
GC-MS (SIM) Resultate

Nachweisgrenze THC < 1 ng / mL Blut

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Beispiel 2:
 
Analyse von kleinste Spuren von Betäubungsmitteln

In der forensischen Chemie (Betäubungsmittellabor, kurz "Stofflabor" genannt) werden neben grösseren Sicherstellungen von Pulvern (Heroin, Kokain etc.), Tabletten (Ecstasy), Kapseln und von Cannabisprodukten, auch kleinste Spuren von Betäubungsmitteln analysiert.

Ionenmobilitäts-Spektrometer
 
Ionenmobilitätsspektrometer (IMS)

Im Ionenmobilitäts - Spektrometer (IMS) werden die Analyten verdampft, ionisiert und durch die Bestimmung der Flugzeit der Ionen identifiziert.

Funktionsweise eines IMS
 
Funktionsweise eines IMS

Ionisierung

N2 + e- => N2+ + 2e-
 
N2+ + O2 => O2+ + N2
 
O2+ + 2 H2O => H3O+ + O2 + ·OH
 
H3O+ + n H2O => H3O+(H2O)n
 
H3O+(H2O)n + NTA => (NTA)H+ + n+1 H2O
 
(NTA)H+ + Cocain => (Cocain)H+ + NTA


Ablauf der Analyse:

  • 1. Probenbeschickung
     
  • 2. Messung 4.5 sec
     
  • 3. Auswertung
     

Plasmagramm
Plasmagramm

Gesamtaufwand ca. 10 Min.
 
Nachweisgrenzen:


Kokain
Heroin
MDMA (Ecstasy)
LSD
ca. 1 ng
ca. 3 ng
ca. 0.3 ng
ca. 5 ng

Mit dieser Analysentechnik werden Hinweise auf das Vorhandensein von Drogenspuren im Nanogrammbereich an Kleidern, Reisepässen, Koffern, Fahrzeugen, Banknoten, Verpackungsmaterialien, Fingernagelschmutzproben, Nasenabstrichen usw. erbracht.

Nasenabstrich Kokain-Nase
Analyse von Kokain im Nasenabstrich  
 
Durch Schnupfen von Kokain verursachtes Loch in der Nasenscheidewand

Die Bestätigungsanalysen erfolgen immer mittels GC-MS!

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Literatur

Handbuch der gerichtlichen Medizin, Band II, Madea B., Brinkmann B., Herausg., Springer Verlag, Heidelberg 2003.

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Letzte Änderung: 20.11.2013
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