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Beiträge von der APPLICA 2003, 5.-7. Mai 2003:

Koffein als anthropogene Markersubstanz für häusliche Abwässer

oder

Greifensee, der doppelte Expresso der Schweizer Seen

Logo FAW Ignaz Buerge, Thomas Poiger, Markus D. Müller und Hans-Rudolf Buser
Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, 8820 Wädenswil

Inhaltsverzeichnis


Eintragswege von org. Chemikalien

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Fragestellungen

  • Wie können Verunreinigungen durch häusliche Abwässer von Verunreinigungen aus anderen Quellen unterschieden werden?
     
  • Wie kann die Belastung von Oberflächengewässern durch häusliche Abwässer quantifiziert werden?
     
  • Wie wichtig sind direkte Einträge von ungereinigten Abwässern aus Regenüberläufen und Regenbecken?

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Marker für häusliche Abwässer

Der Belastungsgrad von Oberflächengewässern durch häusliche Abwässer wird meist mit biologischen Indikatoren (Fäkalbakterien) überwacht. Weil biologische Indikatoren eine nur kurze Lebensdauer haben und nicht immer herkunftsspezifisch sind, werden vermehrt auch chemische Markersubstanzen gesucht.

In Frage kommen:

  • humane endogene Stoffwechselprodukte
     
  • Arzneimittel
     
  • Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln
     
  • Inhaltsstoffe in Haushaltprodukten
     

In dieser Studie wurde die Eignung von Koffein als Marker für häusliche Abwässer evaluiert.

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Anforderungskriterien an einen Marker

  • herkunftsspezifisch für häusliche Abwässer
     
  • gleichmässiger Eintrag in Oberflächengewässer
     
  • quantitatives Mass für die Belastung von Oberflächengewässern durch häusliche Abwässer
     
  • empfindliche, präzise Analytik
     

Bei "idealen" Markern korreliert die Konzentration in Seen mit P/Q:

Formel P/Q

c: Konzentration in Seen
P: Einwohnerzahl im Einzugsgebiet
V: Volumen des Sees
τ : Wasseraufenthaltszeit
Q: Durchfluss

Konzentration vs. Einwohnerzahl

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Analytik von Koffein

Koffein
 
Koffein


Probenahme:

ARA-Proben:
durchflussproportionale 24-h Sammelproben Ablauf VKB (Vorklärbecken), Ablauf NKB (Nachklärbecken) / Sandfilter (Kanton Zürich)
 
Seen:
Stichproben im Ausfluss, Tiefenprofile (Schweizer Mittelland, Bergseen)
 
Fliessgewässer:
abflussproportionale 24-h Sammelproben und Stichproben von Flüssen (Limmat, Reuss, Glatt) und Bächen (Zürcher Oberland)


Aufarbeitung:

Probevolumina:
ARA-Proben 200 mL
See- und Flusswasser 1000 mL
 
Interner Standard: 13C3-Koffein
 
Anreicherung auf einer Polystyrol-Divinylbenzol Festphase
 
Elution mit MeOH und CH2Cl2
 
Clean-up über Silicagel, Na2SO4 (Ethylacetat:MeOH 95:5)
 
Endvolumen: 100-1000 µL (Anreicherung 1:200 bis 1:10'000)


GC-MS:

GC-MS-SIM:
Koffein: m/z 194 (109)
13C3-Koffein: m/z 197 (111)
 
GC-MS-MS-MRM:
Koffein: 194 Pfeil 109
13C3-Koffein: 197 Pfeil 111


Wiederfindungsraten: 104-127 %


Nachweisgrenzen:
Oberflächengewässer: 2 ng/L
gereinigtes Abwasser: 10 ng/L


 
Koffein im AQUI Mineralwasser, im Mittelmeer und im Zürichsee Blindprobe (AQUI Mineralwasser)
Mittelmeer
Zürichsee

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Umweltverhalten von Koffein in Seen

Mit Messungen in Abwasserreinigungsanlagen und Oberflächengewässern, Abbaustudien im Labor, Massenbilanzierungen und Modellierungen wurde das Umweltverhalten von Koffein charakterisiert.

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Koffein in Abwasserreinigungsanlagen

Wieviel Koffein erwarten wir in ungereinigtem Abwasser?

Kaffee
 
Tee
 
Cola
 
Schokolade
Kaffee
100 mg

 
Tee
50 mg

 
Cola
40 mg

 
Schokolade
100 mg

Konsum (CH): ~ 300 mg/(Person Tag)
 
renale Ausscheidung: 0.5-10 % unmetabolisiert
 
erwartete Fracht im Zulauf von ARAs: 1.5-30 mg/(Person Tag)


Hohe Elimination von Koffein in Abwasserreinigungsanlagen

Koffein wurde in Abwasserreinigungsanlagen zu über 81 % eliminiert, meistens gar zu über 99 %. In ungereinigtem Abwasser wurden Konzentrationen von 7-73 µg/L gefunden, in gereinigtem Abwasser 0.03-9.5 µg/L. Die pro-Kopf-Frachten schwankten im Zulauf nur wenig (15.8 ± 3.8 mg/(Person Tag)) und widerspiegeln einen gleichmässigen Konsum. In gereinigtem Abwasser waren die Frachten deutlich tiefer (0.06 ± 0.03 mg/(Person Tag)), mit Ausnahme von Anlagen mit tiefem Schlammalter (< 5 Tage), wo Frachten bis 4.4 mg/(Person Tag) gefunden wurden.

Ara

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Koffein in Oberflächengewässern

Trotz der effizienten Elimination in Abwasserreinigungsanlagen wurde Koffein überall in Fliessgewässern (48-410 ng/L) und Seen (6-164 ng/L) nachgewiesen, mit Ausnahme von Bergseen (< 2 ng/L). In Seen korrelierten die Konzentrationen mit der erwarteten anthropogenen Belastung durch häusliche Abwässer, welche mit der Einwohnerzahl im Einzugsgebiet zunimmt und mit dem Wasserdurchfluss abnimmt. Damit erwies sich Koffein qualitativ und quantitativ als geeignete Markersubstanz für häusliche Abwässer in Oberflächengewässern.

Koffein in Seen und Flüssen
 
Ubiquitäres Vorkommen von Koffein in Seen und Flüssen [ng/L]


Koffein in Seen
Koffein in Seen (Januar-April 2001)


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Fallstudie Zürichsee

Tiefenprofile/Monat

Zirkulation (Winter) Tiefenprofile/Halbjahr Stagnation (Sommer)

Koffein-Tiefenprofile im Zürichsee, 2001


Modellierung mit AQUASIM

Die monatlichen Koffeineinträge in den Zürichsee wurden durch Modellierung von vertikalen Konzentrationsprofilen abgeschätzt. Die im Modell berücksichtigten Eliminations-Prozesse waren Wasseraustausch, biologischer und photochemischer Abbau.

Hydrologische Prozesse

  • tägliche Abflussdaten der Limmat
     
    Abfluss der Limmat Abfluss vs. Jahreszeit
     
  • vertikale Diffusion beschrieben durch tiefen- und zeitabhängige Diffusionskoeffizienten (abgeschätzt aus Temperaturprofilen)
     
    Temperaturprofil Tiefe vs. Temperatur
     
  • rasche horizontale Diffusion

Eliminationsprozesse

  • Export via Limmat
     
  • biologischer Abbau
     
  • indirekte Photolyse (Reaktion mit HO·)
     
    Photolyse-Geschwindigkeit/Jahreszeit
    Photolyse-Geschwindigkeitskoeffizient in der obersten Wasserschicht / Jahreszeit
     

Eintrag in den See

  • erfolgt ins Epilimnion
     
  • monatlich variiert (Fitting-Parameter)
     

Erhöhte Koffein-Einträge während Regenereignissen

Die abgeschätzten Koffein-Einträge in den Zürichsee waren z.T. deutlich höher als via gereinigte Abwässer zu erwarten wäre. Die hohen Frachten erklären sich einerseits durch den Direkteintrag von ungereinigten Abwässern aus Regenüberläufen und Regenbecken und andererseits durch die eher schlechte Reinigungsleistung von Abwasserreinigungsanlagen mit tiefem Schlammalter.

Koffeineintrag

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Eignung von Koffein als Marker

Hiermit erwies sich Koffein qualitativ wie quantitativ als geeignete Markersubstanz.

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Dank

  • Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, Kanton Zürich (AWEL). B. Jost, M. Koch, W. Meier, C. Balsiger
     
  • Klärmeister, Kanton Zürich
     
  • Wasserversorgung Zürich. S. Dunst, S. Gammeter
     
  • Labor Veritas, Zürich. S. Bertschi
     
  • EAWAG, Kastanienbaum und Dübendorf. A. Mares, D. Buerge-Weirich
     
  • FAW, M. Balmer, V. Buser, A. Hauser, T. Zürcher

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Literatur

[1] Buerge, I.J., Poiger, T., Müller, M.D., and Buser, H.R.
Environ. Sci. Technol. 2003, 37, 691-700.

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Letzte Änderung: 20.11.2013
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