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Beiträge von der DETECTA 2004, 10.-11. Juni 2004:

Ionenmobilitätsspektrometrie und Massenspektrometrie in der Gerichtschemie

Logo Rechtsmedizin Bern Werner Bernhard, Beat Aebi
Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Schweiz

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Die verlässliche und rasche Analyse von Betäubungsmitteln stellt eine der wichtigsten Herausforderungen in der chemischen Kriminalistik dar. Dazu bietet sich die Ionenmobilitätsspektrometrie (IMS) als hoch empfindliche und selektive Methode an. Die IMS ist eine schnelle Methode. Sie ermöglicht gezielte Probenahme (evtl. in Zusammenarbeit mit trainierten Hunden) vor Ort. Die Bestätigung der IMS-Resultate erfolgt in der Regel mittels GC-MS.

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Ionenmobilitätsspektrometrie (IMS)

IMS
 
Abb. 1: Ionenmobilitätsspektrometer

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Ablauf einer Analyse

  • Probenbeschickung
  • Messung (Dauer ca. 5 s)
  • Auswertung der Resultate

Gesamter Zeitbedarf für die Analyse ca. 10 Min.

Bestätigung positiver Befunde mittels GC-MS.

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Nachweisgrenze

Kokain
Heroin
MDMA (Ecstasy)
LSD
ca. 1 ng
ca. 3 ng
ca. 0.3 ng
ca. 5 ng

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Funktionsweise eines IMS

Aufbau IMS
 
Abb. 2: Aufbau eines IMS

Die Probe, ca. 50 ng, wird auf einem Teflonfilter direkt in das IMS eingeführt. Zur Analyse werden die Spuren thermisch (280°C) in einen konditionierten Luftstrom (sampling rate ca. 1 L/min) desorbiert. Staubpartikel, Fasern und Fett bleiben auf dem Filter.
Ionisierung: Die Analyten werden in gasförmigem Zustand durch eine Transferleitung in die Ionenquelle transportiert. Dort werden in einer Reaktionskammer durch Beschuss der Gasmischung mit Elektronen hoher Energie, wie sie von einem Betastrahler (63Ni-Folie) emittiert werden, sowohl positive als auch negative Ionen erzeugt. Ein Plasma entsteht. Zum Nachweis positiver Ionen, wird kontinuierlich Nikotinamid als Reaktandgas eingespeist. Nikotinamid hat eine schwache Protonenaffinität. Die in erster Linie interessierenden Substanzen (z.B. Heroin, Kokain, Amphetamin, Methamphetamin, MDMA, THC, LSD, Psilocin, etc.) weisen eine höhere Protonenaffinität als Nikotinamid auf und werden protoniert. Die Messung der Ionenmobilität erfolgt durch die Messung der Zeit, welche die Ionen benötigen um aus der Ionenquelle an die Kollektorelektrode der Driftzelle (drift tube) zu gelangen. Die in der Ionenquelle (ionizing source) gebildeten Ionen werden durch ein elektronische Türe (gating grid), welche in Abständen von ca. 20 Millisekunden während einer Zeit von 200 Millisekunden geöffnet wird einem Beschleunigungspotential ausgesetzt. Die Potenzialdifferenz zwischen dem Repeller und der Kollektorelektrode beträgt ca. 1800V.

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Plasmagram

  • 200 Einzelmessungen werden zusammengenommen (Analysenzeit ca. 20 ms)
  • sie werden in 10 Detektionsfenster zu 20 Einzelmessungen gruppiert
  • bei einem positives Resultat müssen 3 Fenster positiv sein. Die Toleranz der Driftzeit beträgt +/- 50 ms

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Anwendungen

  • verdächtiges Pulver
  • Spuren von illegalen Drogen auf Händen, Kleidern usw.
  • Urin- und Haarproben

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Plasmagramm von Psilocybin

Plasmagramm von Psilocybin
 
Abb. 3: Plasmagramm von Psilocybin

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Plasmagramm von MDMA und MDEA

Plasmagramm von MDMA und MDEA
 
Abb. 4: Plasmagramm von Psilocybin

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Kokain und Heroin

Nasenabstrich
 
Abb. 5: Analyse von Kokain im Nasenabstrich
Kokain-Nase
 
Abb. 6: Durch Schnupfen von Kokain verursachtes Loch in der Nasenscheidewand
 

Plasmagramm von Kokain und Heroin
 
Abb 7: Plasmagramm von Kokain und Heroin

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Gepäckkontrolle auf einem Flugplatz

Flugplatz
 
Abb. 8: Flugplatz

Kontrolle mit IMS
 
Abb. 9: Gepäckkontrolle mit einem IMS

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Gaschromatographie - Ionenmobilitätsspektrometrie (GC-IMS)

Vorteile der GC-IMS

Das IMS allein ist für komplexe biologische Proben nicht gut geeignet.

  • Komponenten der Matrix werden auch ionisiert
  • Substanzen können einander unterdrücken
  • Schwierige Gehaltsbestimmung

Vortrennung mittels GC kann die obengenannten Probleme lösen

  • Substanzen gelangen getrennt von einander in die Ionisierungskammer
  • Weniger Interferenzen = bessere Quantifizierung
  • Liefert eine zweite Dimension für die Identifikation

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Technisches Konzept

  • Gebrauch des Ionscan® als Detektor für die GC
     
  • Das Ende der Säule wird mit einer "Transfer-Line" mit dem Probeneinlass des IMS verbunden.

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Technische Daten des GC-Ionscan®

  • GC-Ionscan®:
     
    • Gewicht: 32 kg
       
  • GC Details:
     
    • Säule: 15 m MXT1 Metall-Säule mit einem Innendurchmesser von 0.53 mm (Megabore), 10 cm Wicklung, apolar, äquivalent zu DB-1, vom Benutzer auswechselbar, verschiedene Typen überall erhältlich
       
    • Temperatur: bis max. 300° C, isotherm oder mehrstufiger Gradient (bis max. 40° C/Min.)
       
    • Split/Splitlos-Injektor mit Temperatur-Kontrolle
       
    • Transfer Line zum Ionscan® mit Temperatur-Kontrolle
       
    • Druck des Trägergases einstellbar

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Analyse von Betäubungsmitteln

  • Mischung aus 18 Betäubungsmitteln und rezeptpflichtigen Medikamenten
  • Konzentrationen: ca. 1 ng/µL pro Komponente
  • Säule: MXT-1, Länge 30 m
  • Trägergas: Helium, Druck 20 psi
  • Identifikation der Komponenten mittels Retentionszeit in der GC und Driftzeit im IMS
  • Analysenzeit < 12 Min.

GC-IMS von Betäubungsmitteln
 
Abb. 10: GC-IMS von Betäubungsmitteln


Kontrolle durch Standardverbindungen
 
Abb. 11: Kontrolle durch Standardverbindungen


3D-Plot eines GC-IMS Runs
 
Abb. 12: 3D-Plot eines GC-IMS Runs

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Gaschromatographie - Massenspektrometrie (GC-MS)

GC-MS Scan Mode/NPD

In unserer Routine werden Kombisysteme GC-MS/NPD zur Verbesserung der Spezifität und der Empfindlichkeit der GC-Analysen eingesetzt. Insbesondere beim basischen Screening ist der NPD der Detektor der Wahl. Durch dessen Spezifität wird das NPD-Chromatogramm im Vergleich zum Totalionenstrom (TIC) wesentlich vereinfacht. Damit sind auch semiquantitative Auswertungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Analysensicherheit (An- oder Abwesenheit stickstoffhaltiger Verbindungen) möglich.

Schema GC-MS/NPD
 
Abb. 13: Schema GC-MS/NPD

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Beispiel: Methadon in Vollblut

GC-MS/NPD von Methadon in Vollblut
 
Abb. 14: GC-MS/NPD von Methadon in Vollblut, nach Vortrennung mittels Festphasen-Extraktion (SPE)

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Erweiterte Auswertung der GC-MS-Daten

  • "Multiple Ion"-Detektion:
    Vorkommen der Ionen in Referenz-Spektren
    Abschätzung der Anzahl C-Atome (1.1% C13-Anteil)
    Charakteristische Isotopenverteilungsbilder von Chlor, Brom
     
  • Gesamtes Spektrum:
    Überprüfung des Molekülions
    Suche nach Verlust von Neutralteilchen (Neutral loss), Suche nach Strukturen, Suche nach Daten
    Vergleich mit anderen unbekannten Spektren
     
  • Gesamtes Chromatogramm:
    "Reversed search", um verwandte Verbindungen zu finden
    Überprüfung auf Coelution ähnlicher Background-Peaks
     
  • Andere Experimente:
    Verwendung von Chemischer Ionisation, NPD, ECD, HPLC, LC-MS
     
  • Sehr wichtig sind alle mit dem Fall zusammenhängenden Informationen

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Günstige und ungünstige Faktoren

  • Günstige Faktoren
    • Mit dem Fall zusammenhängende Informationen sind vorhanden
    • Chromatogramm mit anderen Metaboliten oder Artefakten
    • Möglichkeit nach Strukturen oder ähnlichen Massen-Spektren zu suchen
    • Breite Auswahl von Referenzspektren (z.B. NIST, Wiley)
    • Neuste Spektrenbibliotheken (PMW v3, AAFS v4, Designer drugs v2)
    • Abspeichern von Spektren bekannter und unbekannter Verbindungen für den weiteren Gebrauch
       
  • Ungünstige Faktoren
    • Spektrum mit nur wenigen, unspezifischen Ionen (z.B. m/z 58, 72)
    • Neuere Verbindungen ohne Referenzspektren
    • eine einzigartige Verbindung ohne ähnliche Spektren oder Strukturen

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Auswertung mit Masslib®

Die Auswertung des TIC wurde weitgehend automatisiert. Durch Einsatz des MassLib-Programmes zusammen mit umfangreichen und aktualisierten Spektrenbibliotheken werden auch in komplexen im "scan mode" aufgezeichneten Chromatogrammen toxikologisch relevante Verbindungen (selbst bei geringen Konzentrationen) im Vergleich zu den sonst üblichen computergestützten Auswertemethoden mit erhöhter Sicherheit erkannt.

  • Henneberg-Algorithmus (MPI Mühlheim): SISCOM Pfeil Vergleich von identischen und ähnlichen Massenspektren
  • Suche nach Spektren, Daten und Strukturen
  • Anzahl von Spektrenbibliotheken nicht begrenzt
  • Plattform-unabhängig: Unix, Windows oder NT
  • Import der aktuellsten Daten-Formate möglich


 
Abb. 15



 
Abb. 16



 
Abb. 17



 
Abb. 18

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GC-MS, "Single Ion Monitoring" (SIM)

Beispiel: THC in Vollblut

Metabolismus von THC
 
Abb. 19: Metabolismus von THC

  • Festphasen-Extraktion mit Bond-Elut Certify
  • Derivatisierung mit Methyliodid
  • GC-MS Analyse (SIM)

GC-MS
 
Abb. 20: GC-MS (SIM)

  • LOD von THC: ca. 0.5 ng/mL Blut
  • LOQ von THC: ca. 1.5 ng/mL Blut

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LC-MS

LC-MS von Zolpidem im Haar
 
Abb. 21: LC-MS von Zolpidem im Haar

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Methodenvalidierung

Generelle Anforderungen an die Kompetenz von Test- und Kalibrier-Labors (ISO/IEC 17025:1999)

Die drei wichtigsten Punkte sind:

  • Personal:
    • Grundausbildung
    • Fachwissen
    • Schulung
    • Verantwortlichkeiten
       
  • Apparatur:
    • zweckmässig
    • Leistungstest des Systems (System Performance Test)
       
  • Dokumentation:
    • angemessen (adequate)
    • umfassend (comprehensive)

Methodenvalidierung gemäss ISO/EN 17025

Qualitative Analyse:

  • Selektivität
  • Nachweisgrenze (Limit of detection, LOD)
  • Präzision bei der Nachweisgrenze (Precision near LOD / Cut-off)
  • Robustheit

Quantitative Analyse:

  • Selektivität
  • Linearität
  • Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze (limit of quantitation, LOQ)
  • Abschätzung der Messunsicherheit (neu)

Aufteilung des analytischen Vorgangs in Einzelschritte

  • Probenaufbereitung
  • Extraktion
  • Chromatographische Trennung
  • Datenerfassung
  • Datenauswertung

Jeder dieser Punkte muss z.B. mit Standardarbeitsanweisungen (SOP) dokumentiert werden.
Die korrekte Anwendung der SOP und die Empfindlichkeit der gesamten Methode (overall sensitivity) kann mit Referenz-Substanzen getestet werden.

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Fazit

  • Die Ionenmobilität hat ein hohes Potenzial in der organischen Spurenanalyse
     
  • Die Massenspektroskopie ist immer noch der Standard ("gold standard") in der forensischen Toxikologie

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Letzte Änderung: 26.11.2013
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